Die Gemeinde Reichenau wird im Jahr 2024 ihr 1300-jähriges Bestehen feiern. Zu diesem Anlass wird es sicher ein umfangreiches Programm geben. Ein Highlight wird die geplante große Landesausstellung des Landes Baden-Württemberg sein, die unter Regie des badischen Landesmuseums in Karlsruhe auf der Insel Reichenau stattfinden wird. Der Stiftung Welterbe Klosterinsel Reichenau ist es nun ein Anliegen, einen nachhaltigen Beitrag zum Jubiläum zu leisten, der darin besteht, dass der Klostergarten, der sich nördlich des Münsters St. Maria und Markus in Reichenau-Mittelzell befindet, zum Jubiläum in einen solchen Zustand versetzt wird, der es ermöglicht, die räumliche Situation des Mittelalters, als der Kreuzgang noch intakt war, nachzuempfinden. Außerdem soll das berühmte Gedicht „Hortulus“, das vom Reichenauer Abt Walahfrid-Strabo stammt, durch die Neuanlage des klösterlichen Kräutergartens stärker gewürdigt und einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. All dies soll über das genannte Jubiläum hinaus dauerhaft eine Möglichkeit schaffen, dass Besucher der Insel Reichenau die klösterliche Situation erfassen können. Dies ist umso wichtiger, als das mittelalterliche Kloster in dieser Form heute so nicht mehr sichtbar ist.

Insgesamt wird mit einem Aufwand von circa 1 Million EUR für die Neugestaltung der verschiedenen Gartenbereiche gerechnet. Die Hälfte dieses Betrages ist über das Infrastrukturförderprogramm des Landes Baden-Württemberg bereits gedeckt. Sicher wird auch die Gemeinde Reichenau einen Beitrag zur Kofinanzierung leisten, wobei die Pflege der Gärten, die wohl eine weitere Bauhofstelle erforderlich machen wird, durch die Gemeinde Reichenau sicherzustellen ist.

Vor diesem Hintergrund sind wir nun auf der Suche nach Sponsoren, um die noch fehlenden Investitionskosten von 500.000 EUR in den nächsten drei Jahren in Vorbereitung auf unser Jubiläum stemmen zu können.

Ein erster Bauabschnitt soll nun in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Winter-halbjahr 2021/2022 erfolgen. Hierfür rechnen wir mit Kosten von bis zu 240.000 EUR. Die Hälfte dieses Betrages wird das Land Baden-Württemberg übernehmen.

Konzept

Der neue Klostergarten Reichenau wurzelt in den mittelalterlichen Quellen zur Gartenkultur des Klosters. Gleichzeitig eröffnet er einen Weg, diese Herkunft neu zu erleben und neu zu beleben.

Das Konzept macht Vergangenes sichtbar: Bauliche und archäologische Spuren vor Ort werden interpretiert und die Gärten der Quellen werden nachgebaut. Gleichzeitig wird Neues hinzugefügt: Entwicklungsfelder veranschaulichen neue Ansätze in der Pflanzenkultur

Die neuen Klostergärten veranschaulichen damit die Kontinuität, aber auch die Weiterentwicklung des Wissens um die Pflanzenkultur, insbesondere der Heilpflanzen.

Die neuen Klostergärten bestehen aus drei Gartenbereichen, die alle innerhalb der Klostermauer liegen: Dem claustrum (Kreuzgang), den hortuli (Gärten) sowie wie dem cimenterium (Friedhof und Obstgarten).

claustrum

Ein grüner Säulengang
Der Kreuzgang ist Ort der Kontemplation und Ruhe. Ein Geviert aus geschnittenen Linden bildet an historischer Stelle den verloren gegangenen Kreuzgang des mittelalterlichen Klosters nach und fasst den Raum. Die Lindenstämme erinnern an einen umlaufenden Säulengang. Sie werden von einem Kiesweg begleitet, der zur mittigen Rasenfläche abschliesst.

Ein Platz am Brunnen
Unter dem Schirm der Linden, auf einem 12 x 3,5m kleinen Platz, befindet sich der restaurierte Pirminbrunnen, der als „heilige Gaab Gottes“ einst in der Klausur lag. Hier befinden sich schattige Ruhebänke, die den Blick auf Kreuzgang und Münster freigeben.

Eine ruhige Mitte
Im Zentrum des Kreuzgangs, wo im St. Galler Klosterplan ein immergrüner Sevenbaum eingezeichnet ist, soll ein vergleichbar „ruhiger“ Mittelpunkt gesetzt werden. Vorstellbar ist beispielsweise eine Fläche mit grünen Blattstauden.

hortuli

Ein lebendiger Treffpunkt
Die Gärten bieten eine grosse Vielfalt an Formen, Farben und Gerüchen an. Sie sind Ort der Begegnung, des Gesprächs und des Lernens. Pflanzenkultur und biologisch-dynamische Bewirtschaftung stehen im Mittelpunkt. Im Zentrum der Gärten befindet sich ein 4 x 11 Meter grosser Kiesplatz, der von Maulbeerbäumen beschattet wird. Ein Brunnen spendet Mensch und Pflanze Wasser.

Herkunft der Pflanzenkultur
Die Gärten, die sich um den Platz gruppieren, stehen für Herkunft und Gegenwart der Pflanzenkultur der neuen Klostergärten. Für die Herkunft stehen der Nachbau des Hortulus des Wahlafrid Strabo sowie des Gemüsegartens des St. Galler Klosterplans. Ihre mit Eichenbohlen eingefassten Hochbeete basieren auf den historischen Grundrissen und präsentieren je eine Pflanzenart.

Entwicklungsfeld heutiger Pflanzenkultur
Der Gegenwart der Pflanzenkultur sind die übrigen Beete gewidmet. Hier verbindet sich Nutzen und Zierde.

cimenterium

Ein Obstgarten des Lebens
Der Friedhof tritt als einfacher Obstgarten in Erscheinung. Archäologische Funde belegen, dass sich hier der einstige Friedhof des Klosters Reichenau befand. Der neue Obstgarten mit seiner Artenwahl bezieht sich auf den Friedhof der Mönche des St. Galler Klosterplans, der den Kreislauf des Lebens versinnbildlicht.

Hintergrund und Überleitung
Der Obstgarten leitet in den südlich anschliessenden Bereich des Gemeindefriedhofs über. Er schafft einen ruhigen Hintergrund für die hortuli und kaschiert die wenig attraktive Einsegnungshalle mit dem Anbau und den Lagerflächen des Winzervereins. Entlang der Friedhofsmauer im Osten befindet sich in leichter Holzbauweise das neue Gärtnermagazin mit Aufenthaltsraum und Geräteschuppen. Ein Blumenwiesen-Saum, begleitet von Obstbäumen alter Sorten, schwingt entlang der Klostermauer und rahmt den gesamten Klostergarten ein.

Bodendenkmal

Das Projekt sieht keine Massnahmen vor, die tiefer als Pflugtiefe (ca. 30cm) gehen und verzichtet auf Bauwerke, die eine frostfreie Gründung (ca. 60 cm) verlangen. Es vermeidet Abgrabungen und Einebnungen. Alle Massnahmen sollen durch die Denkmalpflege begleitet werden.

Besucherlenkung und Verkehr

Die Klostergärten sollen im Rahmen eines separat zu erarbeitenden Ausstellungskonzeptes erklärt werden. Ein möglicher Infopoint ist dabei der zentrale Platz der Hortuli.
Der Zusammenhang von Münster und Klostergärten soll künftig gestärkt werden. Die Klostergärten sollen daher künftig vom Münster her (Adamspforte) betretbar sein und gemeinsam besichtigt werden können.

Das Areal ist für Kraftfahrzeuge und Fahrräder gesperrt. Die Befahrbarkeit für Fahrzeuge der Gartenpflege sowie des Winzervereins bleibt entlang des Hauptwegs eingeschränkt gewährleistet. Ein Fahrradstellplatz im Bereich des seeseitigen Garteneingangs soll ausserhalb der Mauern in Absprache mit der Gemeinde Reichenau gefunden werden. Parken im Bereich der Einsegnungshalle soll künftig eingeschränkt werden.

Bewirtschaftung und Pflege

Die Gartenpflege soll künftig nach biologisch-dynamischen Grundsätzen erfolgen. Dies soll im Rahmen des Ausstellungskonzeptes klar kommuniziert werden.
Es ist denkbar, die angebauten Pflanzen als Bio-Produkte (Schnittblumen, Kräuter und Gemüse) den Besuchern in Form eines Marktstandes vor Ort zum Kauf anzubieten.